Notzeit - Winterfütterung nicht nötig

Rehe haben sich an die Witterungsbedingungen angepasst und fressen sich schon im Herbst einen fetten Feist an

Angesichts heutiger Diskussionen um Sinn oder Unsinn der Winterfütterung für Rehwild wundert man sich, wie das heimische Wild über Jahrmillionen völlig ohne menschliche Futtergaben ausgekommen ist und in einer Landschaft überleben konnte, die bei weitem nicht so viel Äsung bot wie die heutige Kulturlandschaft. Genauso fragt man sich, wie Rehwild unter klimatisch weitaus ungünstigeren Bedingungen, z.B. in Skandinavien, ohne jede Fütterung existieren kann. Wild lebende Pflanzenfresser haben im Lauf der Evolution "gelernt" mit den natürlichen Gegebenheiten wie winterlichen Nahrungseng-pässen umzugehen und brauchen im Gegensatz zu Haustieren keine Zufütterung durch den Menschen. Ihre Strategie beruht dabei im Wesentlichen auf 4 Faktoren:

 

1. Feistbildung (Anfressen von Winterspeck, der im Winter aufgezehrt wird),

 

2. Ausbilden eines Winterfells und damit deutliche Verringerung der Wärmeabgabe und damit des Energieverbrauchs,

  

3. Einschränkung der Bewegung auf das Nötigste und damit wiederum deutliche Absenkung des Energieverbrauchs,

   

4. Umstellung der Verdauungsorgane auf den reduzierten Energiebedarf und zur besseren Verwertung von im Winter natürlich vorhandener, faserreicher Nahrung.

 

So gewappnet würde auch unser heimisches Rehwild selbst strengste Winter ohne Fütterung überstehen – abgesehen von einzelnen kranken oder sonst schlecht konditionierten Stücken, die ihrerseits aber wieder Nahrungsgrundlage für so manchen Beutegreifer sind.

 

In Notzeiten stellen sich die Rehe in verschieden grossen Sprüngen zusammen.

 

Der Wildbiologen Dr. Harald Kilias vertritt grundsätzlich die Meinung, dass das Rehwild gut an den Nahrungsmangel im Winter angepasst ist http://www.jagd.it/hege/wildfuetterung.htm. Die Grösse einer Population habe sich der Tragfähigkeit des Lebensraumes bzw. der Biotopkapazität anzupassen, und diese sei nun einmal im Jahresverlauf nicht immer gleich. Die eigentliche Frage ist:

 

Was versteht man unter Notzeit?

 

Harald Kilias sieht vor allem zwei Notsituationen, in denen der Rehwildbestand einer Region gefährdet sein kann: Dies sei zum einen in ausgesprochen waldarmen Gebieten der „Ernteschock“ von Mai bis Oktober, „wenn auf Grund der Landbewirtschaftung in dem Zeitraum Mangel herrscht, in welchem die Hirschartigen normalerweise in einer natürlichen Landschaft eine Mastsituation vorfinden und sich den überlebensnotwendigen Feist anfressen“.

 

Eine zweite Notsituation sieht er bei späten Wintereinbrüchen, wenn sich der Stoffwechsel der Tiere schon wieder auf Sommerverhältnisse umgestellt habe.

 

Grundsätzliche Fütterungen bei hohen Schneelagen und tiefen Temperaturen seien eigentlich unnötig. Vielmehr müsse es das Ziel sein, „den herbstlichen Nahrungsengpass durch ganzjährige Nahrungsbiotope auszugleichen“.

 

Rehwild ist, wie Herr Kilias beschreibt, sehr gut an sich ändernde Verhältnisse angepasst. Wenn der Acker leer ist, so zieht man eben in die benachbarten Brach- bzw. Waldflächen. Die Umstellung scheint ja für die Rehe unproblematisch zu sein. 

 

Der hegende Jäger versucht die Wunden zu heilen, die dem Wild durch ständige Störungen zugefügt werden. Er schaut nicht weg, wenn es Not tut. Er fühlt sich seinem Revier und dem dort lebenden Wild verpflichtet. Und er weiß zu unterscheiden, wo richtig verstandene Hilfe aufhört und wo Missbrauch anfängt!


Die Lebensbedingungen insbesondere für das Rehwild haben sich in den letzten 20 Jahren verbessert. Man hat in der Forstwirtschaft die Wirtschaftsweise umgestellt. Naturgemässe Waldwirtschaft bedeutet die Auflockerung des Kronendachs. Damit kommt mehr Licht auf den Boden, Kräuter und Verjüngung fangen an zu spriessen, beste Lebensbedingungen für den Waldrandbewohner Reh. Dazu kommen vermehrte Anstrengungen (über alle Waldbesitzarten) die eintönigen Reinbestände von Fichte und Kiefer mit standortgerechten Laubhölzern anzureichern.

 

 

 

 

Linktipp _____________________________________________________________________

AZ, 17. Febr. 2012
AZ, 17. Febr. 2012

Rehverbiss zu Notzeiten